Mitochondrien und Hypoxie-Training

von | Apr 3, 2023 | Archiv, Grundlagen | 11 Kommentare

Fitnesstraining für die Mitochondrien

Immer mehr chronische Krankheiten werden mit ihrer Leistung im Körper in Verbindung gebracht. Kurz gesagt: Unser Wohlergehen hängt von der Anzahl und dem Zustand der Mitochondrien ab. Ein Hypoxie-Training führt zu einer Verjüngung der Mitochondrien und macht sie fit für ihre wichtige Aufgabe als „Energiekraftwerke“ der Zellen.

Ohne Luft zum Atmen überlebt ein Mensch keine sieben Minuten. Der in der Luft enthaltene Sauerstoff ist unverzichtbar für alle Stoffwechselvorgänge im Körper – und damit für die Energiegewinnung. Ort des Geschehens, wenn etwa Kohlenhydrate und Fette zu verwertbarer Energie wird, sind winzig kleine, oval-förmigen Zellorganellen: die Mitochondrien. Sie finden sich in nahezu jeder Körperzelle und sind „die“ Energieproduzenten unseres Körpers. Vom Zustand und der Menge dieser kleinen „Brennöfen“ hängt ab, wie viel Energie ihm letztlich zur Verfügung steht.

Je mehr Mitochondrien, desto besser

Um diese enorme Leistung zu bewältigen, braucht es viele Mitochondrien. Da sie mit ihren mit zwei bis acht Mikrometer nur ungefähr so groß wie ein Bakterium sind, ist Platzbedarf zumindest kein Thema. Eine Nervenzelle hat etwa 10.000 und eine Eizelle sogar bis zu 100.000 Mitochondrien, um nur zwei beispielhafte Zahlen zu nennen. Es gilt: Je aktiver eine Zelle ist, umso mehr Mitochondrien besitzt sie – und umso besser funktioniert der Stoffwechsel.

Leider arbeiten die Mitochondrien nicht alle gleich gut. Junge und gesunde, sprich in ihrem Erbgut unbeschädigte Exemplare leisten dabei mehr als alte und schwache beziehungsweise schadhafte. Das hat mit ihrer Entstehung zu tun: Vermehren tun sich nämlich alle. Die Mitochondrien stehen dabei kontinuierlich untereinander in Kontakt und bilden letztlich eine Art Netzwerk, das jeweils ihrer wichtigen Aufgabe als „Energiekraftwerke“ der Zellen nachgeht. Dabei wechselt es ständig seine Form. Einzelne Mitochondrien können dabei miteinander verschmelzen, aber sich zu einem späteren Zeitpunkt auch wieder abspalten.

Die jungen Mitochondrien werden also nicht „neu“ gebildet, sondern entstehen durch die Teilung einer Mutterorganelle. Ihr mitochondriales Erbgut wird dabei nicht immer intakt und gerne auch mal ungleichmäßig auf die „neu“ entstehenden Mitochondrien verteilt. Die dann nicht alle so optimal in Sachen Energiegewinnung arbeiten, wie unser Körper es eigentlich bräuchte. Nach welchen Regeln diese Verteilung geschieht, ist noch nicht ganz geklärt. Klar ist nur: Auch die alten und geschädigten Mitochondrien beteiligen sich rege an diesem alle etwa zehn bis zwanzig Tage stattfindenden Prozess.

Aber als wissenschaftlich erwiesen gilt ebenso, dass sich bei einem Intervall-Hypoxie-Training (IHT) –einem simulierten Höhentraining mit sauerstoffreduzierter Luft – eher die Mitochondrien mit weniger Schäden am Erbgut vermehren. Es kommt sogar noch besser: Das Netzwerk wird messbar um etwa 30 Prozent mit kleinen, jungen und fitten Mitochondrien erweitert. Gut so, denn dann können sie umso mehr Adenosintriphosphat, kurz ATP, erzeugen – den für unseren Körper so wichtigen Energieträger. Er ist sozusagen das Premium-Produkt der Mitochondrien.

Höhentraining fürs Herz

Im Prinzip ist besagtes Intervall-Hypoxie-Training nichts anderes als ein Zelltraining. Mit sauerstoffreduzierter Luft lassen sich die Körperzellen ähnlichen trainieren wie ein Muskel. Es gilt die Devise: Viel hilft viel! Schließlich wird auch mehr als 90 Prozent der Zellenergie in ihnen produziert. Wer sich da zunutze macht, merkt schnell: Ein Intervall-Hypoxie-Training führt zu einer Verjüngung der Mitochondrien und macht sie fit für ihre wichtige Aufgabe als „Energiekraftwerke“ der Zellen.

Denn die Leistungssteigerung durch das Intervall-Hypoxie-Training findet nahezu in jeder Körperzelle statt – vom Scheitel bis zur Fußsohle. Bei den besonders aktiven Zellen macht sich die Veränderung am deutlichsten bemerkbar.

Bestes Beispiel: der Herzmuskel. Die Mitochondrien machen etwa 36 Prozent seines Gesamtgewichts aus. Sie geben dem Herz rund um die Uhr die Kraft zum Schlagen. Mehr gesund-funktionsfähige Mitochondrien zu haben bedeutet, dass der Herzmuskel mehr Leistung bringen kann. Diese Steigerung wirkt sich auf seine Belastbarkeit und Regelmäßigkeit aus. Das Herz ist besser geschützt und es gerät nicht mehr so schnell aus dem Takt, Rhythmusstörungen treten viel seltener auf.

Mehr Energie fürs Gehirn

Ein besonders hoher Energiebedarf besteht auch im rund um die Uhr arbeitenden Gehirn. Obwohl es nur etwa zwei Prozent unseres Körpergewichts aus, beansprucht es etwa 20 Prozent der gesamten Energieproduktion für sich! Aufgrund dieses hohen Eigenbedarfs sind die dortigen Nervenzellen ganz besonders auf gesunde Mitochondrien angewiesen. Sind sie es nicht, sind Müdigkeit und Konzentrationsschwierigkeiten erste Anzeichen, dass die Energieversorgung nicht optimal läuft.

Das erklärt ein Blick ins Detail: Etwa 10.000 Mitochondrien sind in einer Nervenzelle für die Energiegewinnung zuständig. Aufgrund der besonderen Form der Nervenzellen müssen die kleinen Energielieferanten dort besonders aktiv sein. Sie versorgen die Ausläufer (Axon) vom Zellkern bis in die langen Verästelungen (Dendriten) mit Energie. Das sind quasi echte Wegstrecken! In einer Nervenzelle sind, im Unterschied zu anderen Körperzellen, deshalb 30 Prozent der Mitochondrien mobil. Sie bewegen sich frei über die Ausläufer, die teilweise über einen Meter lang werden können, um diese mit Energie zu versorgen und fit zu halten.

Ein simuliertes Höhentraining unterstützt die Mitochondrien bei ihrer besonders intensiven Versorgung des Gehirns. Sowohl die Energiegewinnung als auch die Übertragung der Nervenimpulse können mit den Intervall-Hypoxie-Training verbessert werden. Mittlerweile liegen einige Studien vor, die sich in dem Zusammenhang mit der geistigen Leistungsfähigkeit sowie mit Alzheimer und Parkinson beschäftigt haben. Die Ergebnisse sind durchweg positiv. Es besteht Hoffnung, dass unser Gehirn durch die Hypoxie besser und länger funktionieren kann als bislang von Medizinern angenommen wurde.

Und die Liste der Organe ist noch länger, wo sich der Einfluss der Hypoxie positiv bemerkbar macht: Sie kann etwa die Regenerationskraft unseres größten Stoffwechselorgans, der Leber, stärken. Nicht zu unterschätzen ist auch die Wirkung der dank sauerstoffreduzierter Luft stimulierten und „verjüngten“ Mitochondrien in den hormonbildenden Organen wie den Geschlechtsorganen, der Nebennierenrinde oder der Schilddrüse

Erst weniger, dann mehr Mitochondrien

Man tut seinem Körper mit der Simulation eines Höhentrainings also viel Gutes. Und das bis in die kleinste Zellorganelle. Denn: Ein Intervall-Hypoxie-Training führt zu einer Verjüngung der Mitochondrien und macht sie fit für ihre wichtige Aufgabe als „Energiekraftwerke“ der Zellen. So helfen sie uns auch dabei, länger gesund und „jung“ zu bleiben, weil unser ganzer Organismus fitter ist und bleibt.

Das braucht aber ein wenig Zeit. Manche Hypoxie-Anwender klagen nach den ersten Trainingseinheiten über Energielosigkeit. Sie tritt auf, wenn das Intervall-Hypoxie-Training auf viele alte, beschädigte Mitochondrien im Organismus trifft. Diese werden unter dem Einfluss der Hypoxie abgebaut und entsorgt. Obwohl diese Mitochondrien nur noch eingeschränkt funktionierten, kann sich ihre Entfernung trotzdem bemerkbar machen. Es entsteht ein vorübergehendes Energiedefizit, weil sich die neuen Mitochondrien erst nach und nach bilden. Nach etwa ein bis zwei Wochen Behandlungsdauer entstehen sie durch Teilung „gesunder“ Mutterorganellen. Sie sind sofort funktionsfähig, die Energieproduktion wird angekurbelt.

Das spürt der Körper zeitnah. Ganz so bei einem Muskelaufbautraining. Nur entspannter. Weil man nichts tun muss – außer richtig atmen. Am besten durch die Nase. Den Rest machen die Höhenluft und die Mitochondrien.

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11 Kommentare

  1. Wie behandelt man mit Höhenluft? Ist es die reine Sauerstoffverminderung?
    Wie geschieht die Prüfbarkeit was die jugendlichen Mitochondrien angeht?
    Wie lange hält so eine Kur an?
    Gibt es Mietgeräte?

  2. Sehr geehrte Kollegin,

    vielen Dank für Ihr Interesse am Intervall-Hypoxie-Training.

    Zu Ihre Frage hinsichtlich des Ablaufs eines Trainings empfehle ich Ihnen meinen Blogbeitrag „Was passiert bei einem Intervall-Hypoxie-Training“. Wie lange die Wirkung nach Abschluss der Hypoxie-Kur anhält, hängt vom Gesundheitszustand und der Lebensweise des Anwenders ab.

    Danke für Ihre Frage zur Prüfbarkeit der Hypoxiewirkung. Für die Bewertung der mitochondrialen Energiegewinnung gibt es verschiedene Labortests, wie z. B. den bioenergetischen Gesundheitsindex oder den MitoOx-Test. Wenn möglich, sollten die Tests vor der ersten Trainingseinheit und nach Abschluss der Hypoxiekur durchgeführt werden.

    Zu Ihrer letzten Frage bzgl. der Miete eines Hypoxiegerät: Soweit ich informiert bin, bieten alle deutschen Hersteller verschiedene Finanzierungsmodelle an – auch Miet- oder Leasing-Konditionen.

    Wenn Sie weitere Fragen hätten, möchte ich Sie zu meinem Hypoxie-Round-Table einladen. Er findet alle zwei Wochen statt, ist kostenlos und geräteunabhängig.

    Mit freundlichem Gruß
    Dr. med. Egor Egorov

  3. Wird dabei, wie beim Sport, Laktat gebildet?

  4. Hilft IHHT auch bei ME/CFS entstanden durch eine Impfung gegen COVID?

  5. Sehr geehrter Leser,

    vielen Dank für Ihre interessante Frage.

    Beim Intervall-Hypoxie-Training (IHT) werden beide Stoffwechselwege trainiert – sowohl der aerobe als auch der anaerobe. Wie beim Sport wird dabei wird auch Laktat gebildet. Allerdings wird es beim IHT schneller wieder abgebaut.

    Mit freundlichen Grüßen
    Dr. med. Egor Egorov

  6. Empfehlen Sie bei Long-Covid mit ausgeprägter Mitochondriopathie eher IHT mit Normoxie oder IHHT mit Hyperoxie?

  7. Ist es bei bestehender Silent Inflammation sinnvoll, neben der IHT bzw. IHHT noch zusätzlich hochdosiert Antioxidantien in Form von Nahrungsergänzungsmitteln zu sich zu nehmen? Ich habe gelesen, dass eine solche Einnahme von Antioxidantien nach dem Sport, den durch den Sport entstehenden leichten oxidativen Stress abmildert und so eigentlich gewünschte Anpassungsprozesse im Körper hemmen kann. Ist dies bei IHT bzw. IHHT auch so?

  8. Liebe Leserin,

    ja, die Mechanismen sind ähnlich wie beim Sport.

    Wenn Sie Antioxidantien einnehmen, dann bitte mit einem zeitlichen Abstand zum Intervall-Hypoxie-Training (IHT). Es gibt keine Studien, wie lange mit der Einnahme gewartet werden sollte. Ich empfehle die Gabe von Glutathion, Vitamin C und E 6 Stunden vor und 3 Stunden nach dem IHT.

    Alles Gute

    Dr. med. Egor Egorov

  9. Liebe Leserin,

    Post-COVID-Patienten sollten, wie auch Patienten mit chronischer Müdigkeit unterschiedlichen Ursprungs, das Intervall-Hypoxie-Training in der Erholungsphase mit einem normoxischen Atemluftgemisch bzw.oder mit Raumluft durchführen.

    Eine Normoxiephase wirkt milder nach einer Hypoxiephase. Der erhöhte Sauerstoffanteil in einer Hyperoxiephase fühlt sich angenehmer an, ist aber für den Körper keine Erholung, sondern eine zusätzliche Belastung.

    Alles Gute!
    Dr. med. Egor Egorov

  10. Sehr geehrter Leser,

    ein Intervall-Hypoxie-Training (IHT) wird mittlerweile sehr erfolgreich bei Post-COVID-Patienten mit einem chronischen Müdigkeitssyndrom angewendet. Für ein IHT bei Folgen einer COVID-Impfung sind mir keine Studiendaten bekannt. Nach meiner Einschätzung wäre auch in diesen Fällen ein IHT angezeigt.

    Mit freundlichen Grüßen
    Dr. med. Egor Egorov

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