Erythropoetin löst die bekannteste Wirkung des Hypoxie-Trainings aus: Es fördert die die Bildung von roten Blutkörperchen, aber das ist noch nicht alles. Viele Menschen kennen das Hormon Erythropoetin durch die Skandale im Profisport. Mit der Abkürzung EPO wurde es in den 1990er Jahren als Dopingmittel bekannt. Für Trainer und Sportler war es interessant, weil es die Bildung neuer roter Blutkörperchen aus den Stammzellen im Knochenmark fördert. Mehr rote Blutkörperchen bedeuten, dass mehr Sauerstoffmoleküle pro Herzschlag transportiert werden können. Die verbesserte Sauerstoffversorgung wirkt sich unmittelbar auf die körperliche Leistungsfähigkeit aus. Es kann länger und härter trainiert werden, weil die Muskeln nicht so schnell übersäuern. Um mehr rote Blutkörperchen zu erzeugen, braucht der Körper keine unerlaubten Mittel aus dem Labor. Ein leichter Sauerstoffmangel, wie bei einem Intervall-Hypoxie-Training , führt auf ganz natürliche Weise zur vermehrten Bildung von Hämoglobin bzw. Erythrozyten.
Die Bildung von Erythropoetin
Erythropoetin wird zu 85 bis 90 Prozent in der Niere und zu 10 bis 15 Prozent in der Leber gebildet. Beim ungeborgenen Kind ist das Verhältnis umgekehrt. Die Bildung von EPO findet in einem sehr geringen Umfang auch im Gehirn, in der Gebärmutter, den Hoden und der Milz statt. Bei einem niedrigen Sauerstoffgehalt im Blut oder wenn zu wenig rote Blutkörperchen vorhanden sind, wird von der Nierenrinde vermehrt Erythropoetin gebildet. Von dort gelangt es über den Blutkreislauf zu seinem Wirkungsort. Individuelle Schwankungen gibt es bei der EPO-Bildung nicht. Es bestehen keine Unterschiede zwischen Frauen und Männern hinsichtlich der Wirkung, wenn die EPO-Konzentration im Blut ansteigt. Bemerkenswert sind die Tagesschwankungen, denn es gibt einen Tiefpunkt in den Morgenstunden.
Die Wirkung von Erythropoetin
Am längsten ist die Wirkung des Erythropoetins auf die roten Blutkörperchen (Erythrozyten) bekannt. Ein gesunder Mensch bildet pro Sekunde etwa 3 Millionen neue rote Blutkörperchen. Über die Blutbahn gelangt Erythropoetin in das Knochenmark, um dort die Bildung der Erythrozyten aus den Stammzellen anzuregen – die sogenannte Erythropoiese. Dieser Prozess wird von verschiedenen Hormonen unterstützt. Testosteron ist eines davon. Es fördert das Heranreifen der Blutzellen im Knochenmark und liefert die Erklärung, warum Männer mehr rote Blutkörperchen haben als Frauen. Der Hämatokrit- und Hämoglobinwert von Männern ist deshalb höher. Bei einem akuten EPO-Anstieg, wie beispielsweise bei einem Intervall-Hypoxie-Training oder einem Aufenthalt in den Bergen, dauert es drei bis vier Tage, bis sich im Knochenmark mehr junge rote Blutkörperchen gebildet wurden und ins Blut gelangen. Die Bildung neuer roter Blutkörperchen ist nicht die einzige Aufgabe von Erythropoetin. Im ganzen Körper befinden sich Zellen, die einen EPO-Rezeptor haben. Sie reagieren ganz unterschiedlich auf das Hormon Erythropoetin. Einige Nerven- und Herzmuskeln schützt EPO beispielsweise vor dem Absterben. Im Gefäßsystem reagieren die Endothelzellen ganz ähnlich wie die Stammzellen im Knochenmark. Es bilden sich neue Zellen, die sich an der Reparatur von Gefäßschäden und der Gefäßneubildung beteiligen.
Hoffnungsträger in der Medizin
In der Medizin ist das einstige Dopingmittel EPO mittlerweile zum Hoffnungsträger gegen eine Vielzahl von schweren Krankheiten geworden. Es laufen Untersuchungen zu Alzheimer und Parkinson sowie zur Regeneration nach einem Herzinfarkt und Schlaganfall. Es gibt Hinweise, dass Erythropoetin Menschen auch vor einem tödlichen Krankheitsverlauf einer Coronavirus-Infektion bewahren kann. Das macht das Hypoxie-Training für die Medizin immer interessanter, weil es die EPO-Bildung auf natürliche Weise erhöhen kann. Zu den Dopingmitteln zählt das Hypoxie-Training aber nicht.
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