Krebspatienten können von einem Intervall-Hypoxie-Training profitieren. Vor allem in der Nachbehandlung bietet sich die Methode zur allgemeinen Leistungssteigerung an. Allerdings sind beim Protokollaufbau ein paar Aspekte zu beachten.
Nach einer regulären Krebstherapie gelten viele Patienten als geheilt – aber gesund fühlen sie sich noch lange nicht. Vor allem die anhaltende Erschöpfung, der geschwächte Immunstatus, die mangelnde Stressresistenz und Schlafstörungen erschweren ihnen die Rückkehr in den normalen Alltag. Als ganzheitliche Behandlungsmethode bietet sich das
Intervall-Hypoxie-Training an, allerdings sollte man sich vorher mit dem Wirkprinzip und dem Einfluss von Hypoxie-Faktors HIF-1-alpha auseinandersetzen.
Ist der HIF-1-alpha bei Krebs ein Wohltäter oder ein Übeltäter?
Einerseits liefert der Transkriptionsfaktor
HIF-1-alpha die Erklärung für die umfassende leistungssteigernde Hypoxie-Wirkung auf den Körper, andererseits darf seine Beteiligung bei manchen Tumorkrankheiten nicht übersehen werden. Viele Therapeuten sind wegen dieser Doppelrolle bei der Behandlung von Krebspatienten verunsichert.
Eines steht fest: Bei soliden Tumoren entsteht eine lokal begrenzte Hypoxie. Der Einfluss des Hypoxie-Faktors HIF-1-alpha kehrt sich ins Negative um. Mit der gesteigerten
EPO-Produktion und verbesserten Blutversorgung beschleunigt er das Krebswachstum.
Was nicht übersehen werden darf: Eine reduzierte Sauerstoffkonzentration ist nicht der einzige Auslöser für die Aktivitäten von HIF-1-alpha. Über den NF-kappaB-Signalweg kann es ebenfalls zu einer Stabilisierung und Anreicherung des Hypoxie-Faktors kommen. Es geschieht über einen Entzündungsweg, eine Silent Inflammation. Was wiederum bedeutet, dass es sich um einen Prozess handelt, der über Wochen, Monate und vielleicht sogar über Jahre andauert. Im Laufe der Zeit kann sich so eine Gewebehypoxie um dem Tumor entwickeln, die darüber hinaus noch zusätzlich für eine Stabilisierung und Anreicherung des Hypoxie-Faktors HIF-1-alpha sorgt.
Ob der Hypoxie-Faktors HIF-1-alpha zum Übeltäter oder Wohltäter wird, hängt von der Dosis ab. Bei einer unkontrollierten Hypoxie, wie sie lokal bei Tumorerkrankungen oder bei einer obstruktiven Schlafapnoe vorkommt, wird der Transkriptionsfaktor zur Gefahr. Die Auswirkungen auf die Mitochondrien sind verheerend. Bei einer kontrollierten, individuell auf die Bedürfnisse des Anwenders angepassten Hypoxie bietet der Hypoxie-Faktor großen therapeutischen Nutzen. Die Wirkung ist nicht lokal begrenzt, sondern systemisch, was sich bei den Mitochondrien im ganzen Körper auf die Anzahl und Qualität positiv auswirkt. Außerdem wird der Körper nur für wenige Minuten dem Hypoxiereiz ausgesetzt.
Krebspatienten behandeln, ja oder nein?
In der Praxis stellt sich bei Krebspatienten die Frage: Was ist bei der Anwendung größer, der Nutzen oder der Schaden? Es gibt positive Erfahrungsberichte aus der Praxis, aber Studien, die die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit während einer konventionellen Krebsbehandlung bescheinigen, liegen mir nicht vor.
Dass die Intervall-Hypoxie-Therapie einen Nutzen hat, zeigt beispielsweise eine chinesische Arbeit. Vor der Embolisation eines Leberzellkarzinoms wurde eine Intervall-Hypoxie-Therapie durchgeführt. Es kam zu einer signifikanten Verminderung der
VEGF-Bildung und somit zu einer Unterbindung der Neoangiogenese im Tumor. Die ausgelöste Präkonditionierung weckt großes Interesse, auch in der Onkologie, die Hypoxie zur Behandlung einzusetzen.
Fazit: Eine Intervall-Hypoxie-Therapie parallel zur Standardtherapie sollte gut überlegt werden. Im Anschluss an eine konventionelle Behandlung ist sie jedoch für die Patienten ein großer Gewinn.
Intervall-Hypoxie-Training bei Krebspatienten
Normalerweise reichen 10 bis 15 Behandlungen für eine nachhaltige Hypoxiewirkung aus. Krebspatienten mit einem Fatigue-Syndrom brauchen deutlich mehr Anwendungen. Wegen des sanften Therapieeinstiegs sind mindestens 20 bis 30 Behandlungen empfehlenswert.
Die Intensität der Hypoxie richtet sich nach dem gesundheitlichen Zustand des Patienten. Bei dieser vulnerablen Patientengruppe muss mit Bedacht vorgegangen werden und nichts zum Zufall überlassen werden. Mit entsprechenden Tests, wie z. B. dem
Atemanhaltetest, können die Einstellungen für das Training bestimmt werden.
Bei einem Fatigue-Syndrom sollte mit einer milden Hypoxie von etwa 14 bis 15 Prozent Sauerstoffanteil in der Atemluft begonnen werden und erst bei einer deutlichen Verbesserung des Allgemeinzustands eine weitere Reduzierung vorgenommen werden. Die Dauer, für die vier bis fünf Hypoxie-Phasen, liegt zwischen 2 und 4 Minuten. Auch hier sind die Tests für die Einstellungen unabdingbar.
Normalerweise wird beim Intervall-Hypoxie-Training die Hypoxie-Phase mit einer Normoxie-Phase abgewechselt. Bei Krebsüberlebenden wird eine Hyperoxie-Phase von etwa 25 Prozent Sauerstoffanreicherung zur Reoxygenierung verwendet. Sie sorgt dafür, dass der Hypoxie-Faktor HIF-1-alpha in den Zellen sicher und schnell wieder abgebaut wird. Die Gefahr eines Überhangs wird so ausgeschlossen.
Chapeau Egor!
Mit diesem Beitrag hast Du auf sehr verständliche Weise „Licht“ in dieses komplexe und heiß diskutierte Thema gebracht. Ich hoffe, der Artikel wird von vielen Fachkollegen gelesen. 🙂
Der Kommentar über EPO und Erythrozyten ist hervorragend.
Meine Frage: Wieviel Sitzungen und ab wann kann man mit einer Erythrozyten-Steigerung rechnen? Wieviel O2? Welche Intervalle?
Vielen Dank
Sehr geehrter Kollege,
vielen Dank für Ihre Anfrage und Ihre Kommentierung meiner Arbeit.
Laut wissenschaftlichen Untersuchungen kommt es nur bei etwa 50 Prozent der Fälle nach einem Intervall-Hypoxie-Training (IHT) zu einem Anstieg der Erythrozyten sowie der Hämoglobin- und Hämatokrit-Werte. Aus meiner Sicht liegt dies daran, dass bei den „Standard“-Programmen die Hypoxiedauer nicht ausreicht, um die Hämoglobin- und Hämatokrit-Werte bei gesunden Anwendern merklich anzuheben.
Ganz anders sieht es bei anämischen Patienten aus. Bei ihnen können Veränderungen schon nach einer relativ kurzen Zeit (nach etwa 10 Anwendungen) festgestellt werden. Vermutlich spielt bei einem Anstieg die Ausgangssituation eine Rolle.
Was bedeutet diese Erkenntnis für Sportler: Wenn sie eine Erhöhung der Sauerstoffkapazität im Blut mit dem Anstieg der Blutwerte erreichen wollen, müssen die Trainingsprotokolle entsprechenden ausgerichtet werden. Vorstellbar wäre beispielsweise eine Hypoxiedauer von 70 bis 120 Minuten am Stück an 5 bis 6 Tagen aufeinanderfolgend. Die Sauerstoffsättigung im Blut sollte dabei nicht unter 80 Prozent absinken. Wie schnell die gewünschten Werte als Reaktion auf das IHT steigen, ist individuell verschieden. Durchschnittlich braucht es etwa 2 Wochen. Als Erstes ist ein Anstieg der Retikulozyten zu beobachten.
Wenn Sie noch weitere Fragen haben, lade ich Sie ganz herzlich zu meinem kostenlosen Hypoxie-Round-Table ein. In lockerer Atmosphäre können Fragen gestellt und gemeinsam Praxisfälle besprochen sowie Trainingseinstellungen diskutiert werden.
Mit freundlichem Gruß
Dr. med. Egor Egorov