Arginin und IHT

von | Nov 29, 2023 | Archiv, Praxis, Studien | 2 Kommentare

Die Gabe von Arginin und ein Intervall-Hypoxie-Training (IHT) wirken günstig auf den Aufbau und die Regeneration von Muskeln. Eine Studie bietet Fakten, wie Sportler und Patienten mit Gefäßkrankheiten von der Kombination Arginin und IHT profitieren können.

Es gibt noch viele offene Fragen zur Supplementierung während eines IHT. Arginin ist eine Substanz, die sich als Begleittherapie anbietet. Ich möchte Ihnen eine Studie von polnischen Kollegen vorstellen, die sich auf IHT und Sport spezialisiert haben. Sie haben untersucht, wie Arginin seine größte Wirkung entfalten kann. Was bringt mehr? Nur Arginin in Verbindung mit einem körperlichen Training oder Arginin in Verbindung mit einem körperlichen Training und einem zusätzlichen IHT?

Bei Sportlern sorgt die Gabe von Arginin für mehr Leistung und eine schnellere Regeneration. Im Bereich Sport ist es ein großes Thema, im normalen Praxisalltag eher weniger. Hier sind es die Patienten mit geschädigten Gefäßen, beispielsweise als Folge von einer koronaren Herzkrankheit oder eines metabolischen Syndroms, die von dieser Aminosäure profitieren können. Deshalb halte ich die Studie für so wichtig, denn die Erkenntnisse von Sportlern lassen sich teilweise auf Patienten übertragen.

Arginin als Supplementierung

Arginin ist die wichtigste Quelle für Stickstoffmonoxid (NO). Das Gas ist ein bedeutendes Signalmolekül für die Reparaturprozesse im Körper. Es beeinflusst maßgeblich die Entstehung und damit auch die Wirkung von vielen Wachstumsfaktoren im Körper. Deshalb ist Arginin und IHT für die Sportmedizin so interessant. Mit beidem lässt sich die Bildung von Stickstoffmonoxid fördern.

Arginin und IHT ist eine sinnvolle Kombination, wenn das Behandlungsziel Aufbau- und Regenerationsprozesse sind. Wenn hingegen das Ziel der Behandlung eine Aktivierung der Mitophagie mit anschließender Neubildung der Mitochondrien sein sollte, dann sollte mit der Arginineinnahme gewartet werden. Die Aminosäure fördert die aufbauenden Prozesse. Es kommt zu einer mTOR- statt AMPK-Aktivierung.

Das Studiendesign im Detail

An der Studie nahmen 38 Ringer von der polnischen Nationalmannschaft teil. Die Studie fand während der Vorbereitungszeit auf die neue Wettkampfsaison statt. Für die Studie wurden die Athleten in vier Gruppen nach dem Zufallsprinzip aufgeteilt.

  1. Gruppe: nur körperliches Training und Arginin
  2. Gruppe: nur körperliches Training und Placebo
  3. Gruppe: körperliches Training, Arginin und IHT
  4. Gruppe: körperliches Training, Placebo und IHT

Das körperliche Training, das alle vier Gruppen absolvierten, setzte sich hauptsächlich aus Ausdauertraining (53 %) und außerdem Krafttraining (38 %) zusammen. Zweimal am Tag jeweils eine Stunde vor dem Morgen- und Abendtraining nahmen die Gruppen eine Kapsel mit 6 Gramm Arginin bzw. ein Placebo ein.

Zwei Wochen vor dem Trainingslager setzten die Teilnehmer alle Nahrungsergänzungsmittel ab. Um vergleichbare Ergebnisse zu erhalten, wurde außerdem der Tagesablauf der Sportler festgelegt. Während der gesamten Zeit, wohnten die Athleten in derselben Unterkunft und hielten sich an den denselben Trainingsplan, dieselben Schlafenzeiten und dieselbe Ernährung. Die angebotenen Gerichte auf dem Speiseplan überstiegen nicht den Energiewert von 5.200 Kilokalorien pro Tag. Der Proteingehalt lag zwischen 1,6 bis 1,8 Kilogramm je nach Körpergewicht.

Alle Teilnehmer wurden gründlich untersucht. Blutproben wurden vor dem Start der Studie, am 7. Tag und nach 14 Tagen genommen. Es wurden verschiedene Wachstumsfaktoren, wie z. B. Platelet-derived growth factor (PDGF), Vascular Endothelial Growth Factor (VEGF), Brain-dervied neurotrophic factor (BDNF) oder Insulin-like growth factor 1 (IGF-1), in die Untersuchung einbezogen.

Die Studiendauer war 12 Tage. Die Teilnehmer absolvierten in dieser Zeit 12 körperliche Trainings und einige Teilnehmer zusätzlich noch 12 IHT.

Das IHT-Protokoll während der Studie

Die Teilnehmer in den IHT-Gruppen mussten vor Studienstart einen Hypoxietest für die Erstellung des Protokolls machen. Er wurde mit 12 Prozent Sauerstoffanteil im Atemgasgemisch durchgeführt. Dabei wurde bei den Athleten die Zeit gemessen, bis in ihrem Blut eine Sauerstoffabsenkung (SPO2) auf 85 Prozent erreicht war. Außerdem wurde festgehalten, wie schnell im Anschluss die SpO2-Werte mit einem normoxischen Atemgasmisch wieder auf 95 Prozent anstiegen.

Die auf jeden Studienteilenehmer abgestimmten Protokolle sind die Erklärung, warum es keine exakten Angaben bzgl. des Sauerstoffanteils und der Phasenlängen gibt. In der Hypoxiephase lag der Sauerstoffanteil bei 14 bis 12 Prozent, die Dauer der Hypoxiephase betrug 3 bis 8 Minuten und die Normoxiephase dauerte 3 bis 5 Minuten. Es wurden 6 Zyklen durchlaufen, was zu einer Gesamtdauert von 60 bis 80 Minuten führte. Auch bzgl. der SpO2-Absenkung gibt es keine genauen Angaben. Ich vermute, es wurde mit einer milden Hypoxie gearbeitet. In den ersten Tagen lag die SpO2-Absenkung, wie ich es verstanden habe, bei etwa 90 Prozent.

Das IHT wurde nach dem körperlichen Training durchgeführt. Der Abstand betrug mindestens zwei Stunden.

Die Ergebnisse der Studie

Bei allen Gruppen kam es zur Erhöhung der Wachstumsfaktoren, die für Bildung neuer Muskelfasern und Gefäße zuständig sind.

Die Spiegel von PDGF und VEGF stiegen bei allen Gruppen am 7. Tag an. Der BDNF sankt bei den IHT-Gruppen leicht ab. Bei den Gruppen, die kein IHT erhielten, nahm der Wachstumsfaktor IGF-1 ab.

Nach 14 Tagen war der Unterschied zwischen den Gruppen am deutlichsten. Fast alle Werte waren in den beiden IHT-Gruppen signifikant höher als bei den Gruppen ohne IHT. Die größten Veränderungen bei den Wachstumsfaktoren IGF-1 und VEGF fanden sich bei der Gruppe, die zusätzlich zur Arginineinnahme noch ein IHT absolvierte. Die Werte des BDNF blieben nach der Abnahme im weiteren Verlauf fast unverändert.

Warum sanken die BDNF-Werte?

Der aufmerksame Leser fragt sich bestimmt, warum die BDNF-Werte gesunken sind. Eine schlüssige Erklärung habe ich nicht. Es gibt Studien, in denen der Wert sank, und andere, in denen er stieg. Was ich zu dem Thema noch beisteuern kann: BDNF ist nicht nur ein Wachstumsfaktor für neuronale Netze, sondern auch für die Myogenese. In Studien wird angenommen, dass 75 Prozent des BDNF im Blut aus dem Gehirn kommt und nur 25 Prozent muskulären Ursprungs ist.

Für mich ist dies wieder ein Hinweis zur Vorsicht. Solange wir noch nicht wissen, wie sich Dosierungen auf Muskeln und Gehirn auswirken und welche Rolle die Genetik spielt, sollte das IHT prinzipiell auf dem Gesundheitszustande des Anwenders abgestimmt und nicht übertrieben werden.

Mein Studien-Fazit

Die Studie liefert Hinweise, wie man die IHT-Wirkung mit der Gabe von Arginin verbessern kann. Die Ergebnisse wurden mit jungen und gesunden Sportlern erzielt. Eine mitochondriale Dysfunktion war bei den Studienteilnehmer eher weniger wahrscheinlich als bei unseren Patienten. Das bedeutet für die Praxis: Vor der Supplementierung müssen die antioxidativen Systeme des Anwenders betrachtet werden. Wie gut kann der Körper mit oxidativen und nitrosativen Stress umgehen?

Wenn es bei der Behandlung vorrangig um die Verbesserung der Mitochondrien geht, dann sollte das IHT zu Beginn nicht mit der Einnahme von Arginin kombiniert werden. Für diese Patienten ist es erst einmal wichtiger, die antioxidativen Systeme zu verbessern. Häufig müssen Mikronährstoffdefizite, wie z. B. Kupfer, Zink, Selen und Mangan, ausgeglichen werden, bevor an den Aufbau neuer Strukturen gedacht werden kann.

Sobald die oxidativen Schutzsysteme wieder aufgebaut sind, ist eine zusätzliche Gabe von Arginin, auch als Infusion, zum IHT für viele Patienten sinnvoll. Allerdings sollte sie zeitlich versetzt zum Training stattfinden. Hinzu kommt, dass Arginin die Herzfrequenz signifikant erhöhen kann. Während des IHT sollte es deshalb nicht verabreicht werden. Mindestens 2 Stunden Abstand wäre meine Empfehlung.

Gibt es einen Argininmangel?

Die Supplementierung Arginin halte ich bei vielen Patienten für empfehlenswert. Laut Studien sollten 6 bis 8 Gramm täglich über die Nahrung aufgenommen werden. Aus meiner Erfahrung erreichen viele Menschen aufgrund ihrer Ernährungsweise diese Mengen nicht. Proteinreiche Lebensmittel stehen nicht auf jedem Speisezettel und nicht jeder ist ein Fan von Hülsenfrüchten, Nüssen und Ölsaaten. Der Trend von Smoothies ist auch nicht gerade förderlich. Grünes Gemüse enthält zwar die Ausgangsmaterialien für den NO-Stoffwechsel, aber dadurch, dass sie getrunken und nicht gekaut werden, wird die Aufnahme beeinträchtigt. Ohne den Kauprozess können die Mikroben in der Mundhöhle die Moleküle aus dem grünen Gemüse nicht verarbeiten.

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2 Kommentare

  1. Großartig. Wichtig. Spannend. Bitte mehr davon. > Mich interessiert grundsätzlich die Supplementierung durch/mit Aminosäuren-NEM. ich nehme zB täglich “Amino Aktivator” von NatuGena (enthält 19 Aminosäuren und Cofaktoren, u.a. auch 235 mg Arginin pro Tagesdosis = 6 Kapseln)

  2. Vielen Dank für Ihre lobenden Worte.
    Sie motivieren mich, weitere Blogbeiträge zu schreiben.

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