In einer Übersichtsarbeit vergleicht Professor Martin Burtscher die Hypoxie-Wirkung von 5 unterschiedlichen Protokollen. Aus dem Review lässt sich ein Trainingsplan zur Erhöhung des aeroben Energiestoffwechsels für die Praxis ableiten.
Professor Dr. med. Martin Burtscher vom Institut für Sportwissenschaften an der Universität Innsbruck gehört genauso wie meine verstorbene Freundin Tetiana Serebrovska zu den Wegbereitern der Hypoxie-Forschung. Als Professorin am Bogomoletz Institut für Physiologie in Kiew stand Tetiana mit Professor Burtscher in Kontakt. Sie war es, die mich auf seine Arbeiten aufmerksam machte.
Mit der Übersichtsarbeit von Professor Burtscher habe ich mich beschäftigt, weil ich von einem Trainer aus dem Radsport um Rat gefragt wurde. Er wollte wissen, wie er sein Team zusätzlich mit einem Intervall-Hypoxie-Training für die nächsten Rennen fit machen kann. In dem Review von Professor Burtscher habe ich ein Protokoll gefunden, das sich für die Erhöhung des aeroben Energiestoffwechsels bei Sportlern nutzen lässt. Wie es in der Praxis an einem Hypoxie-Gerät anwendet wird, darauf gehe ich später ein.
Die Krux mit den Protokollen
Bei dem Review von Professor Burtscher wird das Dilemma der Hypoxie-Forschung deutlich. Die Gestaltungsmöglichkeiten eines Intervall-Hypoxie-Trainings sind vielfältig. Hinzukommt, dass die verschiedenen Protokolle in Abhängigkeit des Gesundheits- und Trainingszustandes unterschiedliche Effekte hervorrufen können. Ein Trainingsplan kann beispielsweise bei Sportlern zu einer deutlichen Erhöhung des aeroben Energiestoffwechsels führen, jedoch bei untrainierten Personen das Gegenteil bewirken
Die 5 Protokolle, die Professor Burtscher in seinem Review aufführt, zeigen, wie unterschiedlich die Hypoxie-Wirkung bei bestimmten Personengruppen ausfallen kann. Denn ein Protokoll ist nur gut, wenn die Dosierung und das Trainingsziel zum Anwender des Intervall-Hypoxie-Trainings passen. Falls sie nicht zusammenpassen, können Hypoxie-Effekte schwächer ausfallen oder ausbleiben. Dies führt bei wissenschaftlichen Untersuchungen immer wieder zu widersprüchlichen Erkenntnissen. Eine Erhöhung der Hämoglobin- und Erythrozytenmasse konnte beispielsweise nur ca. bei einem Drittel der Studien nachgewiesen werden.
In Expertenkreisen ist diese Widersprüchlichkeit der Studienlage immer wieder ein Thema. Insider können sich aus den großen Anwenderstudien ihre Konzepte für die Praxis selbst zusammenstellen. Sie bewältigen die Gesamtsituation der Studienergebnisse zum aeroben Energiestoffwechsel und können für fast alle ihrer Patienten eine Erhöhung erreichen.
Für Einsteiger wird es hingegen schwieriger, die vorliegenden Erkenntnisse für die eigene Praxis zu nutzen. Nicht immer können sie die in Studien beschriebenen Effekte an ihren Patienten beobachten.
Ein Protokoll zur Erhöhung des Energiestoffwechsels
Wie bereits erwähnt, war der Aufhänger für dieses Trainingskonzept eine Traineranfrage. Ein Trainer aus dem Radsport wollte die aerobe Leistungsfähigkeit seiner Mannschaft verbessern. Um das zu erreichen, muss die Erythropoiese gesteigert werden. Sie führt zu einer Zunahme der Hämoglobinmasse und Erhöhung der Sauerstofftransportkapazität.
Im Review von Professor Burtscher gibt es ein Protokoll, das diese Effekte auslöst. Erzielt wurden sie durch Höhentraining auf 2500 bis 4500 Metern. Dafür hielten sich die Probanden täglich oder jeden zweiten Tag mehr als 90 Minuten bis zu 6 Wochen in den Bergen auf.
Der Höhenaufenthalt hatte eine vergleichbare Wirkung wie eine EPO-Spritzenkur. Aus klinischen Beobachtungen ist bekannt, dass für eine messbare Erhöhung der Erythrozytenmasse regelmäßige EPO-Injektion über mindestens zwei Wochen nötig sind.
Wie lässt sich nun dieses Trainingsprotokoll mit einem Hypoxiegerät umsetzen? Bei den meisten Hypoxiegeräten sind höchsten 15 Minuten Hypoxie-Phase möglich. Was jedoch keinen Hinderungsgrund darstellt. Denn die 90 Minuten Hypxoiedauer können auch auf sechs Hypoxie-Phasen á 15 Minuten aufgeteilt und mit 2 bis 3-minütigen Normoxie-Phasen unterbrochen werden. Die Wirksamkeit wird dadurch nicht geschmälert.
Zu Beginn des Trainings sollte die Belastung während der Hypoxie-Phase einem Aufenthalt auf etwa 1500 bis 2000 Höhenmetern entsprechen. Eine Steigerung auf 4500 bis 5000 Höhenmetern ist im Verlauf der Kur möglich. Wichtig ist, dass die Sauerstoffsättigung im Blut (SpO2) nicht unter 78 Prozent absinkt.
Eine Tabelle mit den entsprechenden Sauerstoffwerten für die unterschiedliche Höhenmeterbereiche können Sie hier downloaden.
Das Training sollte mindestens drei- bis viermal pro Woche stattfinden und 4 bis 6 Wochen lang durchgeführt werden. Allein das Trainingspensum zeigt, dass es sich um ein Konzept für Sportler handelt. Wer es in der Praxis ausprobieren möchte, sollte es nur bei gut und sehr gut trainierten Personen anwenden. Bei Frauen im gebärfähigen Alter kann eine Trainingseinheit von 90 auf 60 Minuten verkürzt werden.
Mein Fazit zum Review von Professor Burtscher
Übersichtsarbeiten sind immer ein guter Einstieg in ein wissenschaftliches Thema. Die Tatsache, dass es das Review auch auf Deutsch gibt, wird es vielen Lesern erleichtern, sich mit der Lektüre zu beschäftigen. Dies lohnt sich, nicht nur wegen der unterschiedlichen Protokolle, die vorgestellt werden, sondern auch bzgl. ihrer Wirkung. Die Steigerung der aeroben Leistungsfähigkeit habe ich mir für diesen Beitrag ausgewählt. Professor Burtscher liefert in seiner Arbeit aber noch weitere Effekte, die durch ein Hypoxie-Training ausgelöst werden können, wie z. B. einer Steigerung der Bewegungsökonomie sowie der Belastungs- und Stresstoleranz.
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