Über die Verwendung einer Hyperoxie-Phase während des Intervall-Hypoxie-Hyperoxie-Trainings (IHHT) gibt es Uneinigkeit und Missverständnisse. Ich möchte in diesem Beitrag auf die Wirkung der Hyperoxie eingehen, die Studienlage betrachten und einige in der Praxis bewährte Empfehlungen geben.
Ein Teil der IHT-Community sieht die Hyperoxie-Phase als Notwendigkeit für eine bessere Wirkung des Hypoxie-Trainings an – während ein anderer Teil die Hyperoxie-Phase komplett ablehnt. Ich bewege mich zwischen den Fronten und werde dabei oft falsch verstanden. Mein erster Blogbeitrag zu diesem Thema erschien, als IHT nicht noch ein Hoffnungsträger für viele Post-Covid-Patienten war. Mittlerweile gibt es neue Erkenntnisse und mehr Erfahrungen zur Anwendung der Hyperoxie-Phase.
Eine Hyperoxie-Phase kann für die Reoxygenierung nach einer Hypoxie-Phase das richtige Mittel sein – aber nicht bei jedem Patienten. Vor allem bei Patienten in einem schlechten Allgemeinzustand, wie beispielsweise Post-Covid-Patienten, sollte sorgsam abgewogen werden, wie die Sauerstoffsättigung im Blut wieder angehoben wird.
Die Wirkung der Hyperoxie-Phase
Die Hyperoxie-Phase bedeutet oxidativen Stress für den Körper. Als Folge kann der Sauerstoffüberschuss den natürlichen Schutzmechanismus der Zellen stärken. Die Betonung liegt auf „kann“. Denn wie Paracelsus schon wusste: „Die Dosis macht das Gift“. Schon während der Hypoxie-Phase werden die anti-oxidativen Systeme gefordert. Ein Sauerstoffüberschuss steigert die Belastung noch weiter und könnte Patienten in einem schlechten Allgemeinzustand überfordern.
Wenn die Einstellungen von Höhe und Dauer der Hyperoxie-Phase angemessen sind, dann wird in der Hyperoxie-Phase der NRF2-Signalweg (nuclear factor erythroid-2-related factor 2) anregt. Er reguliert die zellulären Abwehrmechanismen gegen oxidative Schäden. Sobald oxidativer Stress oder andere schädliche Substanzen die Zellen angreifen, wird der NRF2 aktiv. Das Protein wandert dann in den Zellkern und aktiviert die Gene, die für die Produktion von körpereigenen Antioxidantien, wie Glutathion, Superoxiddismutase (SOD) und Katalase, verantwortlich sind.
Wenn der Reiz zu stark ist, die Sauerstoffkonzentration zu hoch und/oder die Hyperoxie-Phase zu lange andauert, dann wird nicht der NRF2-Signalweg aktiviert, sondern der NF-κB-Signalweg (nuclear factor ‘kappa-light-chain-enhancer’ of activated B-cells). Er spielt eine Schlüsselrolle im Immun- und Entzündungsgeschehen. NF-kappaB regt die antioxidativen Abwehrmechanismen nicht an. Dieser Signalweg fördert eher Entzündungen.
Hyperoxie-Phase ja oder nein?
Es gibt ausreichend viele Publikationen, die einem Sauerstoffüberschuss eine pro-oxidative oder eine pro-entzündliche Wirkung auf menschliche und tierische Zellen bescheinigen. Was man bei der Studienlage nicht außer Acht lassen sollte: In den meisten Studien wurde eine Langzeitanwendung der Hyperoxie untersucht. Diese Tatsache, dass in einigen Studien die Ergebnisse für ein Intervall-Hypoxie-Hyperoxie-Training (IHHT) sprechen, mag die Befürworter in ihrer Meinung bestärken. In der Praxis sind die Ergebnisse allerdings nicht so eindeutig. Vor bei allem bei Patienten in einem stark reduzierten Allgemeinzustand führt ein IHHT eher zu Verschlechterungen.
Bei der Frage „Hyperoxie-Phase: ja oder nein?“ werde ich immer wieder auf die positive Wirkung hingewiesen, die in neueren Studien bei Post-Covid-Patienten beobachtet wurde. Die positive Wirkung streite ich nicht ab, möchte aber auf ein paar Studien-Details hinweisen.
Bei den Studienteilnehmern handelte es sich um Post-Covid-Patienten, die typische Symptome aufwiesen, aber nie bettlägerig waren. Alle konnten den Weg in die Behandlungspraxis und auch wieder nach Hause selbst bewältigen. Hinzukommt, dass in den Studien eine relativ milde Hyperoxie von durchschnittlich 30 Prozent Sauerstoffanteil in der Atemluft nur für die Dauer von 2 bis 3 Minuten verabreicht wurde.
Definition einer milden und starken Hyperoxie
Der Sauerstoffanteil im Atemluftgemisch während der Hypoxie-Phase macht den Unterschied aus. Aufgrund meiner Literaturrecherchen und nach dem Austausch mit Kollegen, die zu IHHT forschen, ergibt sich folgende Annahme: Für gesunde Anwender und für Anwender mit geringen gesundheitlichen Einschränkungen ist eine Hyperoxie-Phase mit 28 bis 30 Prozent Sauerstoffanteil empfehlenswert. In diesem Bereich spricht man von einer milden Hyperoxie. Es gibt Meinungen, dass Sauerstoffanteil über 33 Prozent bereits zur einer starken Hyperoxie zählt. Anteile über 40 Prozent empfehlen die meisten der Wissenschaftler nicht für ein IHHT.
Vorteil 25 Prozent Sauerstoffanteil
Eine Sauerstoffkonzentration von um die 25 Prozent im Atemluftgemisch wird vom Körper nicht als Sauerstoffüberschuss wahrgenommen. Bei den allermeisten Anwendern reicht es für eine ausreichende Reoxygenierung. Aufgrund dieser Tatsache bewerte ich eine Hyperoxie mit 25 Prozent als einen guten Kompromiss. Vor allem für Patienten, bei denen die Sauerstoffsättigung im Blut während der Normoxie-Phase nicht wieder zum Ausgangswert ansteigt.
Ein Ansatz für die Trainingspraxis wäre eine Hyperoxie-Phase mit 25 Prozent Sauerstoffanteil im Atemluftgemisch. Leider ist diese Einstellung der Sauerstoffkonzentration nicht bei allen Hypoxiegeräten möglich. Dann sollte bei Patienten in einem schlechten Allgemeinzustand die Hypoxie-Phase mit einer Normoxie-Phase abgewechselt werden.
Falls die Reoxygenierung während der Normoxie-Phase nicht ausreichend stattfindet, hilft es, die Atemmaske abzunehmen. Für dieses Phänomen gibt verschiedene Erklärungen. Ich habe einen Blogbeitrag über den Einfluss der Atemmaske geschrieben, aber auch das Luftgemisch während der Normoxie-Phase könnte dazu beitragen, dass der Ausgangswert nicht wieder erreicht wird.
Hinweis: Ungenauigkeiten bei der Zusammensetzung des Atemluftgemischs von 1 bis 2 Prozent können je nach Hypoxie-Gerät vorkommen und sich auf die Sauerstoffsättigung im Blut auswirken.
Hyperoxie-Einstellungen in der Praxis
Meine Empfehlung folgt einem Grundsatz: Je höher die Sauerstoffkonzentration im Atemluftgemisch ist, umso kürzer sollte die Hyperoxie-Phase andauern.
Ideal ist ein Einstieg mit einer geringen Anreicherung, wie z. B. 25 bis 28 Prozent Sauerstoffkonzentration in der Atemluft für 2 bis 3 Minuten. Im Verlauf des IHT ist eine Anhebung der Sauerstoffkonzentration möglich.
Wer ganz sicher gehen will, der sollte bei seinen Patienten den Bioenergetischen Gesundheitsindex (BHI) vor dem ersten IHHT bestimmen. Empfehlenswert ist dies auch für Besitzer von Hypoxiegeräten, die nur eine Hyperoxie-Phase mit einer hohen Sauerstoffkonzentration im Atemluftgemisch bieten. Bei einem BHI unter 1,5 darf aufgrund der bereits vorliegenden oxidativen Belastung nur ein Hypoxie-Normoxie-Training durchgeführt werden.
In meinem Praxisbuch finden Sie die BHI-Abstufungen in Verbindung mit der Dosisbestimmung für das IHHT. In diesem Lehrbuch, das einen IHT-Basiskurs ersetzt, stelle ich weitere Tests vor, die bei der Planung und Ausrichtung des IHT helfen. Liegt beispielsweise der Atemhaltetest unter 15 Sekunden (nach Stange) sollte die Hypoxie-Phase nicht mit einer Hyperoxie-Phase abgewechselt werden.
Mein Fazit zur Hyperoxie-Phase
Ein Intervall-Hypoxie-Training führt mit einer Normoxie-Phase zu einer Anregung der antioxidativen Abwehrsysteme. Auch im Wechsel mit einer Hyperoxie-Phase kann der Schutzmechanismus verbessert werden, wenn der Körper die Belastung verträgt. Eine Hyperoxie-Phase ist also immer dann gut, wenn sie richtig dosiert wird.
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