Die Lunge selbst kann nicht atmen, etwa 80 Prozent der Atemleistung übernimmt das Zwerchfell. Die kuppelförmige Muskelplatte ist mehr als nur ein Atemmuskel.
„Erst einmal tief Luft holen“ oder „Richtig durchatmen“ sind beliebte Empfehlungen. Viele Stressberater ermutigen ihre Klienten, bewusst mit tiefen Atemzügen zu entspannen. Doch tief ist nicht gleich tief – aber mit der richtigen Atemtechnik ganz leicht: Das Zwerchfell, unser wichtigster Atemmuskel, kann schon mit einem sanften, leisen Atemzug durch die Nase die Lunge bis in den Bauchraum füllen. Das derart tiefe Atmen, im Sinne von bis in die unteren Lungenbereiche, ist für unseren ganzen Körper optimal – und nicht nur für unsere Entspannungsfähigkeit. Gute Gründe, sich das Diaphragma, so der medizinische Begriff für Zwerchfell, genauer anzusehen.
Ohne Zwerchfell keine Atmung
Unser Zwerchfell ist ein gerade mal zwei bis fünf Millimeter dicker Muskel, der an die Form eines Kuppeldachs erinnert – und die Brust- von der Bauchhöhle trennt. Es ist, ganz ohne Übertreibung, unser Hauptatemmuskel: Ohne die Kontraktionsfähigkeit des Zwerchfells würden wir schlicht und ergreifend ersticken. Die Lunge selbst kann nämlich nicht atmen, sie hat keine Muskeln.
Das wiederum bedeutet: Die einwandfreie Funktion des Zwerchfells ist für unser Überleben mindestens genauso wichtig wie die Pumpfähigkeit des Herzens. Seine Muskelplatte übernimmt nämlich etwa 80 Prozent der Atemleistung des elastischen Lungengewebes. Das Zwerchfell „beatmet“ diese regelrecht. Den restlichen Part verantworten die Zwischenrippenmuskeln, denn auch die beste Bauchatmung kommt nicht gänzlich ohne Brustatmung aus.
Bei der Einatmung zieht sich das Zwerchfell zunächst zusammen, damit sich der Brustraum weitet. Entspannt es sich, kehrt die Lunge wieder in ihren Ausgangszustand zurück und die Luft entweicht. Das Ausatmen geschieht folglich meist passiv, was normalweise auch vollkommen ausreicht.
Das Zwerchfell ist mehr als nur ein Atemmuskel
Die Leistungsfähigkeit unserer Lunge hängt also vom Zustand des Zwerchfells ab. Es allein bestimmt, ob die Luft nur in den Brustkorb oder bis weit in den Bauchraum geatmet wird. Noch nicht allzu lange ist bekannt, dass sich diese Ausgestaltung und Nutzung der Lunge auf unsere Lebenszeit auswirkt. Eine amerikanische Studie kam zu dem Schluss, dass die Lungenkapazität tatsächlich die sichersten Rückschlüsse auf die Lebenserwartung erlaubt. Das ist ein Ergebnis, das jeden zur Stärkung seines Zwerchfells motivieren sollte. Viele Menschen haben es auch bitter nötig – nicht nur, weil sie Sänger, Schauspieler oder Sprecher sind und wissen, dass ein Training des Diaphragmas grundlegend für ihre Stimmbildung und Sprecherziehung ist.
Denn die meisten Erwachsenen nutzen den Bewegungsspielraum des Zwerchfells von bis zu acht (!) Zentimetern für ihre Atmung nur in geringem Umfang aus, was sich nicht nur auf ihre Atemkapazität auswirkt, sondern auch auf die Stärke und Geschwindigkeit des Blutkreislaufs. Denn der Druck, den das Zwerchfell auf die Lunge ausübt, bestimmt auch den Transport von Sauerstoff und Abfallstoffen. Eine Kräftigung des Zwerchfells macht die Lunge nicht nur dehnbarer, sondern entlastet zusätzlich das Herz-Kreislauf-System. Das Herz muss weniger arbeiten, Kreislaufprobleme können wieder verschwinden. Das erklärt, warum das Zwerchfell gerne auch als „zweites Herz“ bezeichnet wird.
Doch es kann noch mehr: Durch seine Auf- und Ab-Bewegung unterstützt das Zwerchfell auch unser Lymphsystem. Außerdem mobilisiert und massiert es durch seine ständige Bewegung alle Bauchorgane, was wichtig für eine gute Verdauung ist. Auch der Beckenboden wird so trainiert. Und nicht zuletzt trägt es zur Stabilisierung der Wirbelsäule bei: beim Heben und Tragen von Lasten.
Ziemlich viele Aufgaben für so einen scheinbar kleinen Muskel. Doch man sollte ihn nicht unterschätzen. Das Zwerchfell gehört zu den stärksten Muskeln im Körper. Etwa 1000-mal in der Stunde kann es sich zusammenziehen und wieder entspannen, ohne zu ermüden. Es zählt zu den unwillkürlichen Muskeln, die vom vegetativen Nervensystem gesteuert werden und die wir nicht willentlich beeinflussen können. Daher kann das Zwerchfell leider auch nicht direkt, wie zum Beispiel der Bi- oder Trizeps, trainiert werden. Über die Atmung jedoch wir können Einfluss auf es nehmen.
Muskeltraining mal anders
Für eine erste „atmende Kontaktaufnahme“ mit diesem besonderen Muskel gibt es unterschiedliche Möglichkeiten. Entweder man schlingt sich im Sitzen oder Liegen ein Band lose um die Taille und versucht, das Zwerchfell nur über eine Einatmung, die bis tief in den Bauchraum hineinreicht, zu spannen. Oder aber man legt sich hin, dann ein schwereres Buch auf dem Bauch und verfolgt ganz bewusst die Atmung. Durch das Gewicht des Buches, wahlweise das Spannen des Bandes wird die Wahrnehmung für das Zwerchfell und das tiefe Atmen geschult, wobei das Ganze vor allem mit einer konsequenten Nasenatmung „spürbar“ funktioniert.
Buchtipp: „10 Atemzüge und nie wieder müde“ (19,99 Euro, GU Verlag) enthält nicht nur viele Übungen und Tipps für die Umstellung von Mund- auf Nasenatmung, sondern erklärt auch, was noch alles in die richtige Atemtechnik reinspielt und sie fördert. Zum Beispiel Zwerchfelltraining.
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