IHT und Borreliose
Immer mehr Borreliose-Patienten setzen auf das Intervall-Hypoxie-Training (IHT) als ergänzende Therapie. Dabei stellt sich die Frage: Braucht es wirklich spezielle Protokolle oder reichen normale Einstellungen? Ein Blick hinter die Theorie zeigt, was sinnvoll ist und was eher belastet.
Immer wieder erreichen mich Fragen zur IHT-Anwendung bei Borreliose. Viele beziehen darauf, dass es spezielle Programme nur für diese Erkrankung gäbe. Stimmt das wirklich? Bevor wir tiefer in das Thema IHT bei Borreliose einsteigen, ist es hilfreich, kurz die wichtigsten Fakten zur Borreliose aufzufrischen.
Ein paar Fakten zur Borreliose-Infektion
Borreliose – genauer: Lyme-Borreliose – ist die häufigste durch Zecken übertragene Infektionskrankheit in Europa. Etwa 10 bis 20 Prozent der Zecken tragen das Bakterium Borrelia burgdorferi in sich.
Borrelien sind sogenannte fakultative Anaerobier. Das heißt: Sie können sowohl mit Sauerstoff überleben als auch ohne. Sie bevorzugen jedoch Umgebungen mit wenig Sauerstoff – sogenannte hypoxische Bedingungen.
Eine Borrelien-Infektion kann nahezu jedes Organsystem betreffen. Besonders häufig sind Haut, Nervensystem und Gelenke involviert. Die Beschwerden reichen von milden Symptomen, wie dem typischen Erythema migrans (Wanderröte), bis hin zu schweren Verläufen mit Meningitis (Hirnhautentzündung), Fazialisparese (Lähmung des Gesichtsnervs) oder Lyme-Arthritis.
IHT-Borreliose-Programme auf den Prüfstand
Für Borreliose gibt es IHT-Behandlungskonzepte, die eine sehr tiefe und kurze Hypoxiephase mit einer anschließenden Hyperoxiephase von bis zu 10 Minuten Dauer empfehlen. Hintergrund für diese Einstellungen ist die Annahme, dass man so den Borrelien als fakultative Anaerobier den Gar-aus machen kann. Sollte die komplette Vernichtung der Erreger das Behandlungsziel sein, dann gibt es keinerlei Beweise dafür, dass es auch funktioniert. Die sogenannten Borreliose-Einstellungen, von denen man immer wieder hört und liest, sind nur eine theoretische Überlegung. Es existieren weder wissenschaftliche Studien noch Nachweise, wie beispielsweise Labormessungen, die diese Wirkung belegen.
Meiner Erfahrung nach sind solche extremen Einstellungen nicht förderlich. Die vorgeschlagenen Trainingseinstellung von bis 9 Prozent Sauerstoffreduzierung im Atemluftgemisch während der kurzen Hypoxiephase und die überlange Hyperoxiephase sind für das angeschlagene Immunsystem der Patienten eher eine zusätzliche Belastung. Nicht selten fühlen sich Betroffenen nach einem solchen IHT schlechter als zuvor.
Mein Behandlungsansatz bei Borreliose
Aus meiner Sicht braucht es kein spezifisches Borreliose-Programm – und es kann auch keines geben. IHT ist eine unspezifische, physikalische Methode zur Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit und der allgemeinen Widerstandskraft. Richtig eingesetzt, stärkt IHT das Immunsystem – und genau darauf kommt es bei einer chronischen Borreliose an.
Wird das IHT auf die Bedürfnisse des Patienten abgestimmt, verbessert sich auch die Schlagkraft des Immunsystems. Der Zustand des Immunsystem spielt eine entscheidende Rolle für den Umgang mit Erregern im Organismus.
Ein IHT ist bei Menschen, die mit Borrelien chronisch infiziert sind, empfehlenswert. Das primäre Ziel des Hypoxie-Training sollte in diesem Fall eine Verbesserung des Immunsystems sein. Die Trainingseinstellungen werden nach den gängigen Regeln, wie ich sie z. B. in meinem Praxisbuch beschreibe, gewählt. Vorbereitende Tests, wie der Atemhalte-Test oder die HRV-Messung, sowie der allgemeine Gesundheitszustand helfen, die passenden Trainingseinstellungen zu wählen. In vielen Fällen hat sich eine Hyperoxiephase bei Borreliose-Patienten als kontraproduktiv herausgestellt.
Ich möchte an alle Leser appellieren: Bei einer akuten Borrelieninfektion sollte unverzüglich eine schulmedizinische Standardtherapie erfolgen. Je früher behandelt wird, desto höher sind die Chancen auf eine vollständige Genesung. Es lohnt sich, bei einem Zeckenstich aufmerksam zu bleiben und erste Anzeichen wie Wanderröte oder grippeähnliche Symptome ernst zu nehmen.
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